OLG Stuttgart – UWG-Rechtsbruch aufgrund eines Datenschutzverstoßes

 

1.            Einleitung

Obwohl die Datenschutz-Grundverordnung ("DSGVO") nun seit beinahe zwei Jahren in Kraft ist, gibt es weiterhin ungeklärte Fragen. Eine davon ist, ob Mitbewerber oder Verbände lauterkeitsrechtliche Ansprüche gegen Unternehmen geltend machen können, die datenschutzrechtliche Bestimmungen nicht einhalten. Ist man mit dem weiten Anwendungsbereich der UWG-Fallgruppe des Rechtsbruches vertraut, würde man die Frage wahrscheinlich intuitiv bejahen. Einige deutsche Gerichte[i] und der österr. OGH waren – bisher – anderer Meinung; eventuell auch, um eine Flut von Abmahnungen durch Mitbewerber zu verhindern. Das OLG Stuttgart teilte die Ansicht dieser Gerichte nicht und entschied kürzlich, dass Verstöße gegen die DSGVO sehr wohl abmahnbar seien.[ii]

2.            OLG Stuttgart 27.02.2020, 2 U 257/19

Ein Unternehmer, der über die Handelsplattform eBay KFZ-Zubehör verkaufte, verarbeitete personenbezogene Daten ohne eine entsprechende Datenschutzerklärung zur Verfügung zu stellen. Aufgrund dieses Verstoßes gegen Art 13 Abs 1 und 2 DSGVO wurde er von einem Wirtschaftsverband auf Unterlassung in Anspruch genommen.

In einigen vorangegangenen Entscheidungen wurde die Klagslegitimation solcher Verbände bzw von Mitbewerbern gemäß § 8 Abs 3 iVm § 3a Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ("dUWG") wegen DSGVO-Verstößen verneint, weil die Verordnung ein umfassendes Rechtsdurchsetzungsregime vorsehe, in das nicht durch nationale Bestimmungen eingegriffen werden dürfe. Art 80 DSGVO sieht zwar eine Verbandsklage in Datenschutzbelangen vor, jedoch ist diese ideellen Organisationen vorbehalten.[iii] Diese Meinung vertrat in erster Instanz auch das LG Stuttgart.[iv]

2.1      DSGVO: Nationaler Spielraum bei Rechtsdurchsetzung?

Entgegen der obigen Ansicht stellte das OLG Stuttgart fest, dass Artikel 80 DSGVO kein abschließendes Rechtsdurchsetzungsregime für DSGVO-Verstöße vorsehe. Insofern stehe die einheitlich und vorrangig anzuwendende DSGVO nationalen Bestimmungen nicht im Wege, die normieren, dass Wettbewerbsverbände und Mitbewerber Datenschutzverletzungen Dritter geltend machen können. Der EuGH lässt weitergehende nationale Regelungen bei Verordnungen zu, "wenn diese die unmittelbare Anwendbarkeit der Verordnung nicht vereiteln, deren gemeinschaftliche Natur nicht verbergen und die Ausübung des durch die betreffende Verordnung verliehenen Ermessens innerhalb der Grenzen dieser Vorschriften konkretisieren".[v] Die Rechtsdurchsetzung von Datenschutzverletzungen im zivilrechtlichen Wege, wie diese in § 8 Abs 3 iVm § 3a dUWG vorgesehen ist, wird durch die DSGVO nicht eingeschränkt. Vielmehr stehen der behördliche und zivile Rechtsweg parallel zu Verfügung.[vi] Insbesondere enthalte Artikel 80 DSGVO – laut Ansicht des OLG – keine abschließende Regelung für die Rechtsdurchsetzung im ordentlichen Rechtsweg. Darüber hinaus, würden die genannten Bestimmungen des dUWG weder die Ansprüche von Betroffenen noch von ideellen Vereinen iSd Art 80 Abs 1 und 2 DSGVO beschneiden. Aus diesen Erwägungen schlussfolgerte das Gericht, dass Wettbewerbsverbände und Mitbewerber sehr wohl den Tatbestand des Rechtsbruches (§ 3 dUWG) geltend machen könnten, insofern es sich bei den Datenschutzverletzungen um Marktverhaltensregeln handle.

2.2      Informationspflichten des Art 13 sind Marktverhaltensregeln

Die Frage des Marktbezugs von DSGVO-Bestimmungen ist in der Literatur und Rechtsprechung umstritten. Teilweise wird der DSGVO als Ganzes der Marktbezug abgesprochen.[vii] Dieser Ansicht wird der Erwägungsgrund 9 Satz 3 entgegengehalten, der auch eine wettbewerbsrechtliche Zielsetzung der DSGVO indiziert.[viii] Zum Teil wird auch eine differenzierte Sichtweise befürwortet, die besagt, dass die DSGVO grundsätzlich dem Schutz von Persönlichkeitsrechten diene und nur insofern einen wettbewerblichen Bezug aufweise, als es um die Zulässigkeit von Datenerhebungs- bzw Verarbeitungstätigkeiten gehe, die kommerziellen Zwecken (wie zB Marketing) dienen.[ix]

Laut BGH regelt eine Norm das Marktverhalten im Interesse der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer, wenn sie einen Wettbewerbsbezug in der Form aufweist, dass sie die wettbewerblichen Belange der als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommenden Personen schützt.[x] Nicht erforderlich ist dabei eine spezifisch wettbewerbsbezogene Schutzfunktion in dem Sinne, dass die Regelung die Marktteilnehmer speziell vor dem Risiko einer unlauteren Beeinflussung ihres Marktverhaltens schützt.[xi] Die Vorschrift muss aber zumindest auch den Schutz der wettbewerblichen Interessen der Markteilnehmer bezwecken.[xii]

Gemäß Art 13 DSGVO hat der Verantwortliche über Tatsachen zu informieren, die für die geschäftliche Entscheidung eines Verbrauchers erheblich sind. Als Beispiel sind hierbei die Kontaktdaten des Verantwortlichen zu nennen, die eine Kommunikation mit dem Vertragspartner vereinfachen. Andererseits kann es für den Verbraucher auch für eine Kaufentscheidung relevant sein, wie der jeweilige Verantwortliche mit seinen personenbezogenen Daten umgeht. Aus diesen und anderen Gründen stellen die Informationspflichten des Art 13 DSGVO laut OLG Marktverhaltensregeln dar.

2.3      Spürbare Beeinträchtigung

Der Verstoß ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen, da Informationen nicht erteilt wurden, die für eine informierte geschäftliche Entscheidung wesentlich sind. Somit werden die geschützten Interessen der Verbraucher tatsächlich beeinträchtigt.

Aufgrund der oben genannten Gründe wurde der Händler zur Unterlassung des unlauteren Verhaltens verurteilt.

3.            Rechtliche Situation in Österreich

3.1      Überblick UWG-Fallgruppe Rechtsbruch

Der österr. OGH vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass der Verstoß gegen eine generelle Norm dann als unlauter iSd öUWG anzusehen sei, wenn der Verstoß (i) nicht mit guten Gründen vertreten werden kann und (ii) zu einem spürbaren Vorteil gegenüber rechtstreuen Mitbewerbern führt.[xiii] Für die Spürbarkeit ist es bereits ausreichend, wenn sich der Mitbewerber durch das rechtswidrige Verhalten Aufwendungen erspart. Hinsichtlich der beträchtlichen Investitionen, die mit der DSGVO-Compliance verbunden sind, ist dies jedenfalls zu bejahen. Der OGH stellte zudem – im Gegensatz zur deutschen Rechtslage – fest, dass es sich bei der verletzten Norm um keine Bestimmung handeln muss, die das Marktverhalten regelt; entscheidend ist die tatsächliche Auswirkung auf den Markt.[xiv] Diesen Grundsätzen folgend hat der OGH bereits einen Verstoß gegen das alte Datenschutzecht als unlautere Handlung iSd § 1 öUWG angesehen.[xv]

Aufgrund der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs würde man davon ausgehen, dass ein Verstoß gegen die DSGVO jedenfalls eine unlautere Geschäftspraktik iSd des öUWG darstellen würde. Jedoch vertrat der OGH in der ersten Entscheidung zu einem Rechtsbruch aufgrund eines DSGVO-Verstoßes überraschenderweise eine andere Rechtsansicht.

3.2      OGH 26.11.2019, 4 Ob 84/19k

Ein Verein, der die Interessen von österreichischen Psychotherapeuten vertritt, klagte ein Online-Serviceportal, in dem 8.000 Psychotherapeuten angeführt waren. Der Verein sah darin einen Verstoß gegen das Datenschutzrecht seiner Mitglieder und wollte diese Rechtswidrigkeit lauterkeitsrechtlich geltend machen.

Der OGH verneinte bereits die Aktivlegitimation des Vereins, da dieser nicht den Eingriff in die höchstpersönlichen Rechte seiner Mitglieder als Rechtsbruch geltend machen könne. Eingriffe in Ausschließlichkeitsrechte Dritter, die nicht amtswegig geahndet werden, stellen keine schützenswerten Belange der Allgemeinheit dar. In diesem Zusammenhang verwies der Gerichtshof auf seine Rechtsprechung zu Urheberrechten.[xvi] Dementsprechend scheiterte der Tatbestand des Rechtsbruches bei Datenschutzverstößen bereits an der Allgemeinheit der Norm.

Die durchaus strittige Frage, ob eine Geltendmachung von DSGVO-Verstößen im Wege des Lauterkeitsrechts mit dem Unionsrecht vereinbar ist, sprach der OGH in seiner Entscheidung zwar an, jedoch bezog er keine Stellung dazu. In diesem Zusammenhang hätte wohl ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH eine abschließende Klärung bringen können.

Das Ergebnis des OGH ist juristisch durchaus überraschend und im Hinblick auf die vorhergehende Rechtsprechung nicht ganz nachvollziehbar. Möglicherweise war dem OGH daran gelegen, gewerbsmäßigen Abmahnungen Einhalt zu gebieten.

Max Königseder / Arthur Stadler

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[i] LG Wiesbaden 05.11.2018, O 214/18; LG Bochum 07.08.2018, I-12 O 85/18.

[ii] So auch OLG Hamburg 25.10.2018, 3 U 66/17; OLG Naumburg 07.11.2019, 9 U 6/19.

[iii] LG Wiesbaden 05.11.2018, O 214/18; LG Bochum 07.08.2018, I-12 O 85/18.

[iv] LG Stuttgart 20.05.2019, 35 O 35 68/18 KfH.

[v] EuGH, Urteil vom 14.10.2004, C-113/02, Rz 16.

[vi] Siehe dazu Schwamberger, Die Bindungswirkung zwischen Zivil- und Verwaltungsverfahren nach der DSGVO, VbR 2018/117.

[vii] Köhler, Durchsetzung der DS-GVO mittels UWG und UklaG, WRP 2018, 1269; alte Rechtslage: OLG München 12.01.2012, 29 U 3916/11.

[viii] Wolff, UWG und DS-GVO: Zwei separate Kreise?, ZD 2018, 248.

[ix] Schaffer in Heermann/Schlingloff, Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht I3 (2020) § 3a Rz 81.

[x] BGH 08.10.2015, I ZR 225/13 (Einzelspende).

[xi] BGH, 04.11.2010, I ZR 139/09.

[xii] BGH 28.11.2019, I ZR 23/19 (Pflichten des Batterieherstellers).

[xiii] Hübelbauer, DSGVO und Wettbewerbsrecht, ecolex 2018, 840; OGH 11.03.2008, 4 Ob 225/07b (Stadtrundfahrten).

[xiv] OGH 11.03.2008, 4 Ob 225/07b (Stadtrundfahrten).

[xv] OGH 25.02.1992, 4 Ob 114/91 (Bausparer-Werbung).

[xvi] OGH 24.04.2001, 4 Ob 93/01 g.