EuGH zur telefonischen Kontaktaufnahme nach Vertragsabschluss im B2C-Bereich

Tamino Chochola / Arthur Stadler

Mit Inkrafttreten der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher ("Verbraucherrechte-RL") wurde das Verbraucherschutzniveau im gesamteuropäischen Raum angeglichen und gestärkt. Neben dem 14-tägigen Rücktrittsrecht, das vor allem im Fernabsatz von großer Bedeutung ist, wurden zahlreiche weitere Bestimmungen implementiert. Dies betrifft nicht zuletzt die telefonische Kontaktaufnahme von Verbrauchern mit Unternehmern nach Vertragsabschluss. Nach Art 21 der Verbraucherrechte-RL darf dem Verbraucher – sofern eine Telefonleitung etwa als Kundendienst eingerichtet ist – nicht mehr als der "Grundtarif" berechnet werden. Eine klare Auslegung dieses Begriffs war bisher aber ausgeblieben.

In Österreich wurde die entsprechende Bestimmung in § 6b des Konsumentenschutzgesetzes ("KSchG") untergebracht. Einem Verbraucher darf für die Kontaktaufnahme kein Entgelt angelastet werden. Nach den Vorgaben der Verbraucherrechte-RL und der entsprechenden Umsetzung im KSchG bleibt das Recht von Anbietern von Telekommunikationsdiensten, Entgelte für die eigentliche Kommunikationsdienstleistung zu verlangen, dadurch allerdings unberührt.

Im Zusammenhang mit dieser Bestimmung hatte das Landesgericht Stuttgart den Europäischen Gerichtshof ("EuGH") im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens am 15. Oktober 2015 um Klarstellung ersucht. Konkrete Zweifel an der Auslegung der Richtlinie bestanden darin, ob einem Verbraucher für die nachvertragliche Kontaktaufnahme (i) höhere Kosten als diejenigen auferlegt werden dürfen, die unter Verwendung einer gewöhnlichen (geografischen) Rufnummer entstanden wären; (ii) inwieweit dies zulässig sein kann, wenn dem Unternehmer daran kein Gewinnanteil zukommt (im Anlassfall: eine 0180-Service-Dienst-Nummer mit deutschlandweitem Einheitstarif). Der Generalanwalt hatte in seinen Schlussanträgen dazu bereits ausgeführt, dass es das Ziel der Einschränkung kostenpflichtiger Rufnummern sei, "den Verbraucher vor überhöhten Telefonkosten im Rahmen der vertraglichen oder nachvertraglichen Kommunikation mit dem Unternehmer zu schützen, ungeachtet der Frage, wem das vom Verbraucher für die Nutzung des Telekommunikationsdienstes zu zahlende Entgelt letztlich zugutekommt."

In seinem Urteil vom 2. März 2017 (C-568/15) nimmt der EuGH zunächst eine Auslegung des Begriffs "Grundtarif" vor und kommt mittels systematischer sowie teleologischer Interpretation zum Schluss, dass es sich dabei um die Standardkosten einer gewöhnlichen Verbindung handelt, "die der Verbraucher erwarten kann und die nicht erfordern, dass der Unternehmer ihn über diese Kosten informiert." "Grundtarif" bezieht sich damit auf "den üblichen Tarif für ein Telefongespräch ohne zusätzliche Kosten für den Verbraucher". Der EuGH führt dabei – ähnlich wie zuvor der Generalanwalt - aus, dass eine andere Auslegung dieses Begriffs den Verbraucher davon abhalten könnte die Nummer zu benutzen, um Informationen zu einem geschlossenen Vertrag zu erhalten oder seiner Rechte (zB Gewährleistung) geltend zu machen. Entgelte, die Telekommunikationsdienstleister für ihre Leistungen berechnen, haben darauf soweit keinen Einfluss, als "die in Rechnung gestellten Beträge die gewöhnlichen Kosten nicht übersteigen, die den Verbrauchern für einen gewöhnlichen Anruf entstanden wären." Folglich zieht der EuGH den Schluss, dass es für die Beurteilung unerheblich sei, ob der Unternehmer dabei Gewinne erzielt.

Der EuGH folgt mit diesem Urteil einmal mehr den Ansichten des Generalanwalts mit einer insoweit schlüssigen Argumentation, als das Ziel der Verbraucherrechte-RL darin liegt, ein hohes Verbraucherschutzniveau in der Europäischen Union nachhaltig zu gewährleisten. Da es für den Verbraucher keinen Unterschied macht, ob ein Telefonat ohne Zusatzkosten letztendlich nur dem Telekommunikationsdienstleister, oder auch dem Vertragspartner im B2C-Bereich zugutekommt, ist es auch aus unserer Sicht logische Folge, dass es nicht auf eine etwaige Gewinnerzielung des Unternehmers ankommen kann. Praktisch wird dieser Anwendungsfall jedoch rar gesät sein, ein Unternehmer also selten die Möglichkeit haben, mit dem Tarifanbieter noch günstigere Konditionen als den Standardtarif auszuhandeln. Wir empfehlen daher Rufnummern für die nachvertragliche Kontaktaufnahme von Verbrauchern zu vermeiden, die für Verbraucher einen Sondertarif oder Zusatzentgelte berechnen.