Rabattaktionen und Sonderangebote stellen für Händler ein geeignetes Mittel dar, um etwa Platz in ihren Lagern für neue Ware zu schaffen oder Kunden zu akquirieren. Wie die Entscheidung des Landgericht (LG) Ingolstadt[i] zeigt, muss dies aber unter Einhaltung der wettbewerbsrechtlichen Regelungen erfolgen. Wer kennt Sie nicht: Beworbene Sonderangebote mit dem Zusatz "Solange der Vorrat reicht". Doch was ist, wenn dieser Zusatz fehlt und nicht genügend oder etwa gar keine Produkte vorrätig sind? Mit dieser Frage hat sich das LG Ingolstadt im Juni 2021 beschäftigt. Das Legal Update #23 soll einen Überblick über die österreichische Rechtslage sowie die ergangene Gerichtsentscheidung geben, die auch für heimische Shopbetreiber beachtlich ist.
1. LG Ingolstadt zur Werbung mit nicht vorrätigen Produkten
Ausgangspunkt des Rechtsstreits war eine von einer deutschen Elektronikmarktkette durchgeführte einwöchige Rabattaktion unter dem Namen "7 Tage – 7 Kracher". Während des Aktionszeitraums konnten Kunden Produkte zu rabattierten Preisen erwerben. Zur Bewerbung dieser Rabattaktion schaltete die Elektronikmarktkette online einen Verkaufscountdown, welcher die Restzeit des Aktionszeitraums anzeigte. Kunden sollten die Angebotsartikel online bestellen und sich entweder nach Hause liefern lassen oder in einem Markt vor Ort abholen. Im Rahmen der Aktion wurde auch ein Smartphone beworben, welches mangels Vorrats weder geliefert noch vor Ort abgeholt werden konnte. Die deutsche Wettbewerbszentrale sah darin eine irreführende Geschäftspraxis, weil der durchschnittliche Verbraucher erwarte, dass die angebotenen Artikel bis zum Ablauf der Uhr tatsächlich verfügbar seien.
Das LG Ingolstadt folgte der Ansicht der Wettbewerbszentrale und sprach aus, dass die Bewerbung trotz mangelnder Verfügbarkeit eine unlautere Geschäftspraktik darstelle. Der Durchschnittsverbraucher erwarte von solcher Werbung, dass sämtliche beworbenen Produkte über den gesamten Aktionszeitraum zum Verkauf und zur sofortigen Lieferung zur Verfügung stehen. Der Name der Aktion habe ebenfalls eine Verfügbarkeit der Produkte während der gesamten Werbeaktion vermittelt. Die Werbeart und -dauer führe zur Verpflichtung des Händlers, die Werbeadressaten über eine unzureichende Bevorratung aufzuklären, wenn eine solche aufgrund hinreichender Gründe angenommen werden kann. Diese Aufklärungspflicht beschränke sich nicht auf den Zeitpunkt der Aktionsveröffentlichung. Im Gegensatz zu klassischen Printmedien bestehe die jederzeitige Möglichkeit, eine entsprechende, dem Shop-Betreiber zumutbare Aktualisierung des Angebots vorzunehmen.
Sowohl das deutsche Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (dUWG) als auch das österreichische UWG (öUWG) basieren auf der EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL-UGP),[ii] weshalb das vom LG Ingolstadt ergangene Urteil auch für österreichische Händler (zumindest) von Relevanz ist.
2. Lockvogelwerbung
Das Bewerben von Produkten, die nicht in ausreichender Menge verfügbar sind, ist ein typisches Beispiel für sogenannte Lockvogelwerbung. Unter Lockvogelwerbung versteht man irreführende Geschäftspraktiken, die darauf abzielen, Kunden durch Lockangebote zum Abschluss weiterer oder anderer Geschäfte zu bewegen. Verbraucher sollen mittels Lockangebot geködert werden, um in der Regel den Absatz der regulären Ware zu fördern.[iii] Sofern die als Sonderangebot beworbenen Waren nicht verfügbar sind oder nur in unzureichender Stückzahl, besteht die Eignung, dass der Verbraucher über die Verfügbarkeit getäuscht wird. Insofern diese Täuschung dazu geeignet ist, den durchschnittlichen Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu bewegen, die er bei Kenntnis der mangelnden Verfügbarkeit nicht getroffen hätte, stellt die Lockvogelwerbung eine relevante Täuschung dar.[iv] Unter geschäftlicher Entscheidung ist nicht nur der Erwerb oder eben Nichterwerb einer Ware zu verstehen, sondern sämtliche damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie etwa das Betreten eines Geschäfts.[v] Eine Lockvogelwerbung kann somit eine wettbewerbswidrige Handlung im Sinne des § 2 Abs 1 Z 1 öUWG darstellen.
Darüber hinaus kann ein solches Vorgehen – wie dem der deutschen Elektronikmarktkette – einen Sondertatbestand der sogenannten "Schwarzen Liste" erfüllen. Die schwarze Liste findet sich im Anhang zum deutschen und österreichischen UWG und enthält Geschäftspraktiken, die jedenfalls als irreführend (oder aggressiv) gelten und somit per se verboten sind. Das LG Ingolstadt war im konkreten Fall der Ansicht, dass die Bewerbung des Smartphones trotz mangelnder Verfügbarkeit Z 5 der schwarzen Liste des dUWG erfüllt. Im öUWG findet sich hinsichtlich Lockangeboten für Produkte ein sinngemäßes Verbot. Nach öUWG liegt demnach ein unzulässiges Lockangebot vor, wenn ein zu einem bestimmten Preis angebotenes Produkt nicht vorrätig ist. Sobald der Unternehmer hinreichende Gründe für die Annahme hat, dass er das angebotene oder ein gleichartiges Produkt nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums in angemessener Menge zum genannten Preis bereitstellen kann, ist der Verbraucher darüber aufzuklären.
Inwiefern eine Aufklärungspflicht besteht und wie weit diese geht, hängt vom beworbenen Produkt, dem Umfang der eingesetzten Produktwerbung und dem Angebotspreis ab. Sowohl das dUWG als auch öUWG sprechen von "Angemessenheit". Hinsichtlich der Angemessenheit ist auf die Erwartungen des Durchschnittsverbrauchers abzustellen, wobei die Umstände des Einzelfalls maßgebend sind.
3. "Nur solange der Vorrat reicht" als Rettungsanker?
In Zusammenhang mit dem bereits Geschriebenem ist besonders interessant, wie es um den allbekannten Hinweis "Nur solange der Vorrat reicht" steht. Im Fall der Elektronikmarktkette hat ein solcher Hinweis schlichtweg gefehlt. Doch kann ein solcher Hinweis eine Irreführung per se ausschließen?
Grundsätzlich rechnet der Kunde, der ein Sonderangebot online oder in Printmedien sieht, dass die beworbenen Waren auch gekauft werden können. Nach ständiger Rechtsprechung des OGH müssen die angebotenen Waren – mit Ausnahme von unerwarteten Lieferschwierigkeiten oder anderen unvorhersehbaren Ereignissen – in genügender Menge tatsächlich vorhanden und zu erwerben sein.[vi] Unternehmer begrenzen aber oftmals die verfügbare Stückzahl. Ein geringer Warenvorrat ist nicht an sich wettbewerbswidrig, sofern der Verbraucher über diesen Umstand aufgeklärt wird. Das verfügbare Angebot und die durch die Werbung beim Kunden hervorgerufenen Erwartungen müssen aber in einem angemessenen Verhältnis stehen. Sofern dies nicht gegeben ist, schließt selbst ein Hinweis auf die begrenzte Verfügbarkeit die Irreführung nicht aus. Ist ein Angebotsprodukt etwa schon nach wenigen Minuten oder Stunden ausverkauft, hilft auch ein entsprechender Hinweis nicht. Festzuhalten ist somit, dass ein Hinweis auf die begrenzte Verfügbarkeit einen Wettbewerbsverstoß ausschließen kann, aber nicht immer tut. Maßgeblich sind auch hier die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls.
4. Zusammenfassung
Das LG Ingolstadt hat im Falle der Rabattaktion eines großen deutschen Elektronikhändlers entschieden, dass die in einem Online-Shop beworbenen Produkte vorrätig und lieferbar sein müssen. Andernfalls hat ein Hinweis an den Verbraucher zu erfolgen, dass der Warenbestand knapp ist. Erfolgt dies nicht, so liegt eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb vor. Die Zumutbarkeitsschwelle wird damit insbesondere für Online-Händler gesenkt, ihre Werbung an neu eingetretene Umstände anzupassen. Aufgrund der ähnlichen Rechtslage in Österreich ist die Entscheidung auch für heimische Händler (zumindest) beachtlich.
Grundsätzlich gilt, dass Bevorratung und Nachfrage in einem angemessenen Verhältnis stehen müssen, da ansonsten eine unlautere Geschäftspraktik vorliegen kann, die abgemahnt werden könnte. Ein entsprechender Hinweis auf die geringe Verfügbarkeit ist empfehlenswert, kann einen Wettbewerbsverstoß aber nicht pauschal ausschließen. Im Zweifel ist es somit ratsam, das Wording der Ankündigungen rechtlich prüfen zu lassen.
Arthur Stadler / Maria Lohmann / Christopher Falke
[i] LG Ingolstadt 15.06.2021, AZ 1 HK O 701/20.
[ii] RL 2005/29/EG vom 11.5.2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbraucher, ABl L 2005/149, 22.
[iii] Wiebe (Hg.), Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht (2018)4, 371.
[iv] Vgl Wiebe (Hg.), Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht4 362.
[v] Vgl EuGH C-281/12, Trento Sviluppo/AGCM, ECLI:EU:C:2013:859 Rz 36 ff.
[vi] RIS-Justiz RS0078574.