
ECOMMERCE LEGAL UPDATE #2
Im neuen Jahr werden harmonisierende EU-Gewährleistungsregeln in nationales Recht umgesetzt, konkret die Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen (DIDL-RL) sowie die Warenkauf-Richtlinie. Eine wesentliche Neuerung ist etwa die Verlängerung der Beweistlastumkehrfrist zugunsten des Verbrauchers. Außerdem haben Verbraucher de facto erstmalig ein Recht auf Aktualisierungen sowie Sicherheitsupdates. Bei verspäteten oder unsachgemäßen Installationen, die vom Verbraucher verschuldet sind, haftet der Unternehmer allerdings nicht.
Überblick neues EU-Gewährleistungsrecht (Umsetzung 2021)
Im Mai 2019 hat der Unionsgesetzgeber folgende zwei Richtlinien erlassen: die Richtlinie (EU) 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (“DIDL-RL“) sowie die Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG (“Warenkauf-RL“).
Die beiden EU-Richtlinien wurden mit dem Ziel erlassen, den EU-Binnenmarkt attraktiver zu machen und für zahlreiche Herausforderungen einer zunehmend technologiegestützten Wirtschaft erfolgreich aufzustellen. Die Richtlinien sind im kommenden Jahr 2021 in nationales Rechts umzusetzen (siehe Pkt 4 Conclusio). Durch die Harmonisierung bestimmter Aspekte von Verträgen über die Bereitstellung digitaler Inhalte bzw digitaler Dienstleistungen soll – unter Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus – nicht nur ein digitaler Binnenmarkt erreicht, sondern auch für mehr Rechtssicherheit gesorgt und die Transaktionskosten insb für KMUs gesenkt werden. Die vollständige Harmonisierung einiger wesentlicher Elemente des Verbrauchervertragsrechts werde es Unternehmen, insb KMUs, einfacher machen, ihre Produkte in anderen Mitgliedstaaten anzubieten. Vorschriften über das Zustandekommen, die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Wirkungen von Verträgen oder die Rechtmäßigkeit des digitalen Inhalts bzw der digitalen Leistungen bleiben freilich weiterhin den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen.
Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen (DIDL-RL)
Anwendungsbereich
Vom Anwendungsbereich der DIDL-RL sind gemäß Art 3 Abs 1 sämtliche Verträge umfasst, auf deren Grundlage ein Unternehmer einem Verbraucher digitale Inhalte oder eine digitale Dienstleistung bereitstellt oder sich hierzu verpflichtet und der Verbraucher einen Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt. Lädt ein Nutzer zB auf seinem Smartphone die App des Musikstreamingdienstes Spotify herunter, wäre diese von der DIDL-RL erfasst. Anwendbar ist die DIDL-RL unter anderem auf Computerprogramme, Anwendungen, Videodateien, Audiodateien, Musikdateien, digitale Spiele, elektronische Bücher, andere elektronische Publikationen und digitale Dienstleistungen, die die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung von Daten in digitaler Form sowie den Zugriff auf sie ermöglichen, einschließlich Software-as-a-Service, wie die gemeinsame Nutzung von Video- oder Audioinhalten und andere Formen des Datei-Hosting, Textverarbeitung oder Spiele, die in einer Cloud-Computing-Umgebung und in sozialen Medien angeboten werden. Weiters gilt die DIDL-RL für Verträge über die Entwicklung maßgeschneiderter digitaler Inhalte sowie für maßgeschneiderte Software. Vom Anwendungsbereich der DIDL-RL ausgenommen sind Internetzugangsdienste; weitere Ausnahmen vom Anwendungsbereich finden sich in Art 3 Abs 5.
Ganz grundsätzlich sind digitale Inhalte bzw digitale Dienstleistungen vom Unternehmer bereitgestellt, wenn sie die Sphäre des Verbrauchers erreicht haben und keine weiteren Handlungen vonseiten des Unternehmers erforderlich sind, damit der Verbraucher die digitalen Inhalte bzw Dienstleistungen vertragsgemäß nutzen kann (vgl Art 5 Abs 2). Von einer Bereitstellung digitaler Inhalte bzw Dienstleistungen wird auch dann gesprochen, wenn der Verbraucher keinen Preis zahlt, sondern stattdessen dem Unternehmer personenbezogene Daten zur Verfügung stellt. Somit ist die DIDL-RL auf jene Verträge anwendbar, auf deren Grundlage ein Unternehmer einem Verbraucher digitale Inhalte bzw eine digitale Dienstleistung bereitstellt bzw sich hierzu verpflichtet und ein Verbraucher personenbezogene Daten bereitstellt oder deren Bereitstellung zusagt.
Neuerungen
Eine wesentliche Neuerung, welche diese Richtlinie mit sich brachte, ist die Verlängerung der Beweistlastumkehrfrist zugunsten des Verbrauchers von sechs Monaten auf ein Jahr. Diese Beweislastregel findet allerdings keine Anwendung, wenn der Unternehmer nachweist, dass die digitale Umgebung des Verbrauchers in Bezug auf die technischen Anforderungen der digitalen Inhalte/Dienstleistungen nicht kompatibel ist und der Verbraucher darüber vor Vertragsabschluss in klarer und verständlicher Weise in Kenntnis gesetzt wurde. Des Weiteren hat der Unternehmer den Verbraucher über Aktualisierungen, einschließlich Sicherheitsaktualisierungen, zu informieren und ihm diese bereitzustellen. Für Vertragswidrigkeiten, die auf einer vom Verbraucher verschuldeten, verspäteten oder unsachgemäßen Installation der Aktualisierung beruhen, haftet der Unternehmer allerdings nicht.
Im Gegensatz zur Warenkauf-RL unterscheidet die DIDL-RL bei den primären Gewährleistungsbehelfen nicht zwischen Verbesserung und Austausch, da dies bei digitalen Inhalten wenig sinnvoll erscheint. Der Verbraucher hat daher Anspruch auf die Herstellung des vertragsmäßigen Zustandes, auf Preisminderung oder auf Wandlung. Bei Verträgen, bei denen die Gegenleistung in personenbezogenen Daten besteht, können Verbraucher zwar keine Preisminderung geltend machen, jedoch den Vertrag bereits bei nur geringfügigen Vertragswidrigkeiten beenden.
Warenkauf-RL
Anwendungsbereich
Die Richtlinie ist auf (Waren-)Kaufverträge zwischen Verbrauchern und Unternehmern anwendbar, wobei damit nicht nur bewegliche, körperliche Gegenstände, sondern neuerdings auch sogenannte “Waren mit digitalen Inhalten” umfasst sind (zB ein Smartphone mit installiertem Betriebssystem, Smartwatches). Mit der Warenkauf-RL soll die Gewährleistung explizit auch auf diese digitalen Elemente erstreckt werden.
Neuerungen
Bei den Anforderungen an die Vertragsmäßigkeit unterscheidet die RL – ebenso wie die DIDL-RL – zwischen subjektiven (zB Aktualisierungen, Zubehör, Anleitungen, etc.) und objektiven (Eigenschaften, die Waren der gleichen Art idR aufweisen, zB technische Normen) Anforderungen. Eine wesentliche Neuerung ist, dass bei Waren mit digitalen Elementen nicht nur die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften im Zeitpunkt der Einbringung ausschlaggebend sind, sondern auch die zukünftige Erhaltung der Vertragsmäßigkeit durch Updates – zumindest für jenen Zeitraum, der unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erwartet werden kann. Zumindest bis zum Ende der Gewährleistungsfrist sind notwendige Updates kostenlos zur Verfügung zu stellen. Damit haben Verbraucher erstmalig ein Recht auf Aktualisierungen sowie Sicherheitsupdates.
Eine weitere maßgebliche Neuerung ist auch hier die Verlängerung der Beweislastumkehr zugunsten der Verbraucher von sechs Monaten auf ein Jahr; die Mitgliedstaaten können diese Frist jedoch auf bis zu zwei Jahre verlängern (diese Verlängerungsmöglichkeit sieht die DIDL-RL nicht vor).
Die Gewährleistungsfrist beträgt idR zwei Jahre ab Lieferung der Ware. Allerdings verlängert sich der Zeitraum für ein (allfälliges) digitales Element der Ware, wenn dieses vertragsgemäß über einen längeren Zeitraum kontinuierlich bereitgestellt werden soll (Art 10 Warenkauf-RL).
Conclusio
Die neuen Regelungen sind zwar im Hinblick auf den Verbraucherschutz sehr zu begrüßen, beinhalten aber auch einige wesentliche Neuerungen für Unternehmen. Eine europäische Einheitlichkeit konnte leider aufgrund der vielen Öffnungsklausel nicht erzielt werden.
Die Mitgliedstaaten haben bis zum 1.7.2021 die notwendigen, innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung zu erlassen; ab 1.1.2022 sind die Vorschriften verbindlich anzuwenden. Es wird für Österreich unter anderem angedacht, die Bestimmungen im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) oder im Konsumentenschutzgesetz (KSchG) umzusetzen. Wofür sich der österreichische Gesetzgeber entscheidet, bleibt mit Spannung abzuwarten. Wir empfehlen betroffenen Unternehmern jedenfalls, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen rechtzeitig anzupassen.
