Global operierende europäische Unternehmen profitieren von Lieferketten, die sich über mehrere Nationen oder sogar auch Kontinente erstrecken. Dabei hält nicht immer jedes Glied dieser Kette die gleichen ökologischen und menschenrechtlichen Standards ein. Dies soll sich nun laut einem Legislativberichts des Europäischen Parlaments ändern. Was sich für österreichische Händler ändern könnte, wird im vorliegenden LEGAL UPDATE erläutert.
In einer globalisierten Welt sind Lieferketten innerhalb einer Unternehmensstruktur, die sich nicht nur über mehrere Nationen, sondern sogar über mehrere Kontinente erstrecken, keine Seltenheit mehr. Dass dabei nicht immer jedes Glied dieser globalen Kette die gleichen Standards in Sachen Umweltverträglichkeit und soziale Gerechtigkeit erfüllt, ist in den vergangenen Jahren immer mehr in den Fokus nicht nur einzelner europäischer Industrienationen gerückt. Auch der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat nun Anforderungen formuliert, welche Unternehmen zur Sorgfaltspflicht für ihre Lieferketten (va etwaige Verstöße gegen Menschenrechte und Umweltstandards) verpflichten soll. Rechtlich gesehen ist der Legislativbericht des Europäischen Parlaments als Empfehlung an die Europäische Kommission zu werten. Die EU-Kommission hat einen der Gesetzesinitiative entsprechenden Gesetzesvorschlag für das Frühjahr 2021 angekündigt, der mit Spannung erwartet wird.[i]
Bisher haben lediglich zwei EU-Mitgliedstaaten – Frankreich und die Niederlande – eigene nationale Gesetze geschaffen, die einheitliche Anforderungen an globale Lieferketten der dort ansässigen Unternehmen stellen. Am 3. März 2021 wurde auch in Deutschland eine gesetzliche Regelung beschlossen, die deutsche Unternehmen zur Überprüfung ihrer Lieferketten verpflichtet; diese Regelung soll jedoch erst im Jahr 2023 in Kraft treten.
1. Warum Lieferkettengesetz?
Nicht nur die Standards der Qualität und Fertigungsmethoden von Produkten aller Art variieren von Nation zu Nation, sondern auch die Standards betreffend die Umweltverträglichkeit sowie die Einhaltung von Menschenrechten in Betriebsstätten.
Bisher setzte die Staatengemeinschaft auf Freiwilligkeit, was die Einhaltung der Sorgfaltspflichten von Unternehmen die ethische Unbedenklichkeit ihrer Lieferketten betreffend anging. Das Beispiel der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte hat jedoch gezeigt, dass Richtlinien, deren Einhaltung auf reiner Freiwilligkeit und Teilnahmebereitschaft der einzelnen Staaten beruht, oft wenig bringen und vor allem auch keine Möglichkeit für etwaige Sanktionen einräumen. Maßnahmen in diesem Bereich gehen neben einem administrativen Mehraufwand auch immer Hand in Hand mit teilweise beträchtlichen Mehrkosten. Folglich bleiben Missachtungen der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und ähnlicher Vereinbarungen durch Staaten oft unbemerkt oder werden schlicht und einfach nicht sanktioniert, da keine Sanktionen vorgesehen sind.
Dieser unbefriedigende Zustand sorgte bereits für zahlreiche Bürgerinitiativen in ganz Europa, die sich vehement für die Schaffung gesetzlicher Regelungen für Unternehmensverantwortung zur Achtung der Menschenrechte und des Umweltschutzes einsetzen. Als Beispiele können hier die zivilgesellschaftliche Kampagne “Menschenrechte brauchen Gesetz”[ii] aus Österreich, sowie die deutsche “Initiative Lieferkettengesetz”[iii] genannt werden.
Auch ist einem Bericht zur nachhaltigen Unternehmensführung in der EU (report on sustainable corporate governance) von Pascal Durand, einem französischen Abgeordneten zum Europäischen Parlament, zu entnehmen, dass hinsichtlich der Implementierung von Maßnahmen zur Einführung und Erhaltung menschenrechtlicher und ökologischer Standards in europäischen Unternehmen massiver Aufholbedarf besteht.[iv][v] Laut einer im Februar 2020 von der EU-Kommission veröffentlichten Studie versucht nur ein Drittel aller in der EU beheimateten Unternehmen geeignete Maßnahmen zur Kontrolle ihrer Lieferketten zu implementieren, während jedoch gleichzeitig auch 70 % der befragten Unternehmen EU-weite Sorgfaltspflichten mittragen und auch unterstützen würden.[vi]
Von Bedeutung ist auch, dass die Einführung eines europäischen Lieferkettengesetzes aufgrund einer Harmonisierung der relevanten Rechtsvorschriften mehr Rechtsicherheit für Unternehmen mit sich bringen würde.[vii]
2. Deutscher Entwurf eines Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten
Wie bereits oben erwähnt, wurde in Deutschland bereits ein nationaler Gesetzesentwurf zur Regulierung von Lieferketten beschlossen.
Von den neuen nationalen Lieferketten-Regelungen werden in etwa 3000 deutsche Unternehmen betroffen sein.[viii] Laut Mitteilung der deutschen Bundesregierung soll das neue Gesetz vor allem konkretisieren, in welcher Form Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Verantwortung derzeit nachkommen und zukünftig nachzukommen haben. Menschenrechtliche Risikofaktoren innerhalb von Lieferketten müssen künftig genauer analysiert und anschließend durch entsprechende Präventiv- und Abhilfemaßnahmen minimiert oder gänzlich ausgeräumt werden.[ix]
Zu diesem Zweck soll das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ermächtigt werden, Einsicht in die Unterlagen von Unternehmen nehmen zu können, sowie Auskünfte von einzelnen MitarbeiterInnen zu verlangen. Bei Verstößen gegen das neue deutsche Lieferkettengesetz drohen hohe Geldbußen[x]; eine zivil- oder strafrechtliche Haftung ist allerdings nicht vorgesehen.
Außerdem sieht der neue Gesetzesentwurf vor, dass die Rechte von Betroffenen, die durch Sorgfaltswidrigkeiten seitens Unternehmen verletzt werden, auch von Gewerkschaften oder NGOs vor Gericht geltend gemacht werden können.[xi] Auch österreichische Unternehmen sind von dem deutschen Gesetzesentwurfs ebenso umfasst, wenn sie Teil der gesamten Lieferkette sind.
Verschiedenen Bürgerinitiativen geht dieser Entwurf jedoch noch nicht weit genug und wird dementsprechend bereits kritisiert. Vor allem die Beschränkung der Verpflichtungen auf Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern sorgt vielfach für Unverständnis. Außerdem wird gefordert, dass sich die Definition einer Lieferkette an der Definition aus den UN-Leitprinzipien für Menschenrechte orientieren soll, um einen umfassenden Schutz für Betroffene zu gewährleisten. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft das Thema Umwelt: der vorliegende deutsche Gesetzesentwurf enthält keine unmittelbaren umweltbezogenen Sorgfaltspflichten. Der Entwurf thematisiert den Umweltschutz nur mittelbar, und zwar nur im Hinblick auf Quecksilberemissionen sowie persistente organische Schadstoffe (also nur soweit Menschenrechte von der Umweltschädigung unmittelbar betroffen sind).
3. Was ändert sich für Händler?
Welche Änderungen und vor allem neue Verpflichtungen bringt nun der für Juni 2021 angekündigte Gesetzesentwurf der Kommission?
Genaue Vorhersagen, was die Kommission inhaltlich beschließen wird, sind natürlich schwer zu treffen. Prinzipiell lässt sich aber sagen, dass für einzelne Unternehmen und auch Händler ein gesamteuropäischer rechtlicher Rahmen zweifelsohne begrüßenswert ist. Würden weitere Mitgliedstaaten dem deutschen Vorbild folgen und unterschiedliche Gesetze die Lieferketten betreffend erlassen, würde dies zwar wahrscheinlich zu einer ökologischeren und moralisch unbedenklicheren Unternehmenspolitik führen, gleichzeitig aber einen überflüssigen bürokratischen und damit auch finanziellen Mehraufwand für Unternehmen bedeuten, die in mehreren europäischen Staaten operieren.
Wie streng die gesamteuropäische Lösung ausfallen wird, steht derzeit noch in den (12) Sternen. Diesbezüglich sollte auch keinesfalls der Einfluss global operierender europäischer Unternehmen in Brüssel unterschätzt werden. Gerade im Hinblick darauf scheint ein allzu restriktiver Kommissionsentwurf aus heutiger Sicht eher unwahrscheinlich.

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[i] https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20210122IPR96215/lieferketten-unternehmen-fur-schaden-an-mensch-und-umwelt-verantwortlich (abgerufen am 12.04.2021).
[ii] https://www.nesove.at/menschenrechte-brauchen-gesetze/ (abgerufen am 12.4.2021).
[iii] https://lieferkettengesetz.de/ (abgerufen am 12.4.2021).
[iv] https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20201211IPR93636/sustainability-businesses-interests-must-align-with-society-s-interests (abgerufen am 22.4.2021).
[v] https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-9-2020-0240_EN.html (abgerufen am 22.4.2021).
[vi] https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20210122IPR96215/lieferketten-unternehmen-fur-schaden-an-mensch-und-umwelt-verantwortlich (abgerufen am 22.4.2021).
[vii] https://www.roedl.de/themen/europaeische-lieferkettengesetz-sorgfaltspflicht-erste-informationen (abgerufen am 26.4.2021).
[viii] https://etailment.de/news/stories/Lieferkettengesetz-Diese-neuen-Pflichten-kommen-auf-Haendler-zu–23417 (abgerufen am 21.4.2021).
[ix] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/lieferkettengesetz-1872010 (abgerufen am 22.4.2021).
[x] § 24 Entwurf eines Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten; https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetze/Regierungsentwuerfe/reg-sorgfaltspflichtengesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (abgerufen am 23.4.2021).
[xi] § 11 ebd.