
Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben unlängst ihre Absicht bekräftigt, die Transparenz im Bereich des Glücksspiels zu erhöhen, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorzubeugen. Mit der 4. und 5. AML (Anti-Money Laundering)-Richtlinie wurde die Liste der Dienstleister, die den Anti-Geldwäsche-Verpflichtungen unterliegen, erweitert (siehe unseren Artikel über die Umsetzung der 5. AML-Richtlinie in Österreich und Frankreich). In Frankreich ermöglicht darüber hinaus die seit 2018 obligatorische Aufzeichnung von Glücksspieltransaktionen ab einem bestimmten Schwellenwert eine bessere Kontrolle über Geldflüsse im Glücksspielbereich. Diese Maßnahme soll die Transparenz erhöhen und die Aufsichtsbehörden auf mögliche kriminelle Aktivitäten aufmerksam machen. Neben den AML-Verpflichtungen gibt es in Frankreich allerdings noch andere Faktoren, welche die Karten im Glücksspielsektor neu mischen: die Privatisierung von der Française des Jeux (FDJ) — dem in Frankreich umsatzstärksten Glücksspielbetreiber — sowie die Schaffung einer neuen Regulierungsbehörde (ANJ) in Frankreich.
1. Die Anwendung von Anti-Geldwäsche-Verpflichtungen auf Glücksspielbetreiber
Mit der Verabschiedung der 4. und 5. AML-Richtlinien (AMLD 4 und AMLD 5) haben die Institutionen der Europäischen Union versucht, eine wachsende Zahl von Dienstleistern zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten im Bereich der Geldwäsche zu verpflichten. Die AMLD 5 (Richtlinie [EU] 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung) umfasst beispielsweise Dienstleister, die virtuelle Währungen in Fiatgeld und umgekehrt tauschen sowie Anbieter von elektronischen Geldbörsen (siehe unseren Artikel über die Umsetzung der 5. AML-Richtlinie im Bereich der Krypto-Währungen). Die Liste umfasst aber insb auch Anbieter von Glücksspieldiensten (Lotterien, [Online-]Casinos, [Online-]Wetten, etc.). Die Umsetzung der AMLD 4 und AMLD 5 in Frankreich und Österreich nahm allerdings jeweils etwas unterschiedliche Gestalt an:
1.1 Frankreich
In Frankreich enthält Artikel L. 561-2 des Währungs- und Finanzgesetzes (Code monétaire et financier) eine Liste von Dienstleistern, die der Obligation zur Bekämpfung der Geldwäsche unterliegen und daher verpflichtet sind, ihren Kunden bzw den wirtschaftlichen Eigentümer der Transaktionen zu identifizieren, bevor sie eine Geschäftsbeziehung eingehen. Neben Kreditinstituten und Zahlungsinstituten werden auch die von der Nationalen Glücksspielbehörde (ANJ) lizenzierten Glücksspiel- und Wettanbieter in der Liste angeführt (Absatz 9°bis).
Hinweis: In Frankreich sind Glücksspiele seit 1836 prinzipiell verboten. Ausnahmen von diesem Verbot wurden zwar geschaffen, sind aber immer noch streng geregelt. Betreiber von Online-Glücksspielen und Online-Sportwetten beispielsweise müssen für ihren Betrieb eine Lizenz von einer Regulierungsbehörde erhalten. Das PACTE-Gesetz vom 22. Mai 2019 räumt der FDJ ein Monopol für den Vertrieb von Lotterien in einem physischen Netz (z.B. in Tabakläden) und im Internet ein. Das Monopol der FDJ auf Sportwetten beschränkt sich auf das physische Vertriebsnetzwerk. Online-Sportwetten bleiben daher in Frankreich für den Wettbewerb offen.
1.2 Österreich
In Österreich sind die AML-Verpflichtungen für Glücksspiel iwS nicht in einem einzelnen Gesetz zusammengefasst, sondern sind – historisch bedingt – auf mehrere Gesetze aufgeteilt. Hier ist auf der einen Seite zu unterscheiden zwischen Glücksspiel ieS (Lotterien, Casino, Poker etc.) und Wetten auf der anderen Seite. Die Trennlinie zwischen den beiden Bereichen ist gemäß § 1 Abs 1 Glücksspielgesetz (GSpG) das Überwiegen von Können (Wetten) respektive Zufall (Glücksspiel).
Die rechtliche Grundlage für Glücksspiel ieS ist das GSpG, bei welchem die AMLD 4 erstmals mit BGBl I 2016/118 umgesetzt wurde. Auffallend ist, dass das GSpG eine Vielzahl von Verweisen auf das Finanzmarkt-Geldwäschegesetz beinhaltet, was die Lesbarkeit und das Verständnis ungemein erschwert. Wie schon in Frankreich, sind auch in Österreich expressis verbis prinzipiell nur die Konzessionäre zur Einhaltung der sich aus dem Gesetz ergebenden Geldwäschevorschriften verpflichtet. Demnach unterliegen die derzeit ohne österreichische Konzession anbietenden (Online-)Glücksspielanbieter nicht den Geldwäschebestimmungen des GSpG. Allenfalls sind sie nach den Geldwäschevorschriften anderer EU-Staaten (etwa insb Malta) verpflichtet; eine unmittelbare Anwendbarkeit der AMLD 4 und AMLD 5 ist allerdings ausgeschlossen.[i]
Dem GSpG folgend ist bei Spielbanken (Casinos), elektronischen Lotterien und Automatensalons die Identität des Kunden bzw wirtschaftlichen Eigentümers bei Betreten respektive Anmeldung – also stets – festzustellen (§ 31c Abs 2 Z 1). Bei (Offline-)Lotterien wiederum ist das GSpG liberaler; hier beschränken sich die Identifikationspflichten grundsätzlich auf politisch exponierte Personen (PEP) bzw auf größere Transaktionen wie das Auszahlen von Gewinnen.
Wetten wiederum fallen in die Kompetenz der Bundesländer; die anzuwendenden Geldwäschevorschriften ergeben sich aus dem jeweiligen Landes-Wettengesetz. Trotz neun verschiedener Gesetze sind die Geldwäschevorschriften im Wesentlichen gleichlautend – dies auch vor dem Hintergrund des 2019 durch die EU-Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens wegen der schleppenden Umsetzung der AMLD 4. Da Wetten liberalisiert sind, ist der personelle Anwendungsbereich der Wettengesetze nicht so eng wie jener des GSpG, vielmehr beziehen sich die Wettengesetze zumeist unspezifisch auf die Gesamtheit der "Wettunternehmer". Zur Identifikation verpflichtet sind Wettunternehmer insb bei Aufnahme einer Geschäftsbeziehung (Ausstellung einer Wettkundenkarte, Anlegen eines Online-Accounts etc.).
Neben der Identifikationspflicht bestehen für die Bereiche Glücksspiel und Wetten darüber hinaus weitere verpflichtende Maßnahmen wie Mitarbeiterschulungen, das Erstellen einer Risikoanalyse, die Implementierung eines Systems für Meldungen an die Geldwäschemeldestelle etc.
2. Anwendung von Sorgfaltspflichten bei Transaktionen
2.1 Frankreich
Seit dem 14. Februar 2020 verpflichtet Artikel L 561-13 des Währungs- und Finanzgesetzes die Glücksspiel- und Wettanbieter zur Aufbewahrung von Transaktionsbelegen und -aufzeichnungen, welche den Umtausch aller Zahlungsmittel, Chips, Spielmarken und Gutscheine beinhalten, deren Wert einen Schwellenwert von EUR 2.000 übersteigt. Der Schwellenwert von EUR 2.000 ist in Artikel R 561-10 6° bis desselben Gesetzbuches festgelegt, der ebenfalls seit dem 14. Februar 2020 in Kraft ist. Die Anbieter sind verpflichtet, vor der Durchführung der Transaktion oder vor der Unterstützung bei ihrer Vorbereitung oder Ausführung die Identität ihres gelegentlichen Kunden und des wirtschaftlichen Eigentümers zu ermitteln oder zu überprüfen, wenn der Spieler Beträge von EUR 2.000 oder mehr pro Transaktion setzt oder gewinnt.
Der Zweck der AML-Richtlinien und ihrer Umsetzung in nationales Recht ist es, das Engagement der Dienstleister im Hinblick auf die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu erhöhen. Dies ist eine bedeutende Veränderung für den Markt. Ein weiterer Umbruch liegt — was Frankreich betrifft — in der Privatisierung der FDJ, des wichtigsten Akteurs auf dem französischen Glücksspielmarkt.
2.2 Österreich
In Österreich ist der rechtliche Rahmen für Glücksspiele und Wetten sehr ähnlich zu Frankreich ausgestaltet:
Für Casinos, elektronische Lotterien und Automatensalons bestehen bei Wechslungen von Bargeld in Spielmarken oder umgekehrt sowie bei Einsätzen in Höhe von EUR 2.000 (§ 31c Abs 2 Z 4) pro Spielbankbesucher und Spieltag (oder ergibt sich dieser Betrag durch mehrere anscheinend zusammenhängende Vorgänge) gewisse Sorgfaltspflichten, zu denen insb auch die Identifikation des Kunden bzw wirtschaftlichen Eigentümers sowie die Aufbewahrung von Transaktionsbelegen und -aufzeichnungen zählen.
Im Bereich der Wetten liegen hinsichtlich der Transaktionsschwelle unterschiedliche Regulierungen vor: Während die Mehrheit der Bundesländer verpflichtende Sorgfaltspflichten wie die Identifikation des Kunden bzw wirtschaftlichen Eigentümers sowie die Aufbewahrung von Transaktionsbelegen und -aufzeichnungen vorschreiben, sobald Gewinne oder Einsätze (auch durch zusammenhängende Transaktionen) EUR 2.000 übersteigen (Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol – teilweise ziehen die Länder die Schwelle bei elektronischen Geldtransfers[ii] bereits bei EUR 1.000), gehen Vorarlberg und Wien einen Sonderweg. Vorarlberg zieht die allgemeine Transaktionsschwelle bei EUR 1.000; Wien wiederum differiert zwischen Einsätzen (Schwelle EUR 1.000) und Gewinnen (Schwelle EUR 2.000).
3. Privatisierung und Börseneinführung der Française des Jeux (FDJ)
Im Jahr 2019 leitete die französische Regierung eine Privatisierungswelle ein, an der beispielsweise die Betreibergesellschaft der Pariser Flughäfen (Groupe ADP), der industrielle Energiekonzern ENGIE und die Française des Jeux (FDJ), der führende Glücksspielbetreiber, beteiligt waren. Der Zweck dieser Privatisierungswelle, die durch das Gesetz Nr 2019-486 vom 22. Mai 2019 (PACTE-Gesetz) genehmigt wurde, ist die Finanzierung eines Fonds von EUR 10 Milliarden, welcher der Innovation gewidmet ist (siehe unseren Artikel über den Fortschritt des PACTE-Gesetzes über Krypto-Währungen.) Die FDJ ist der historische Betreiber der Lotterie in Frankreich. Sie bietet sowohl an den Verkaufsstellen als auch online eine breite Palette von Lotteriespielen, Lottoziehungen, Rubbellosen und Sportwetten für die breite Öffentlichkeit an. Im Jahr 2018 hatte das Unternehmen 25 Millionen Spieler, mehr als 30.000 Verkaufsstellen und Spieleinsätze iHv EUR 15,8 Milliarden.
Im November 2019 verkaufte der Staat 99.320.000 FDJ-Aktien am geregelten Markt der Euronext Paris.[iii] Der Börsengang wurde am 20. November 2019 erfolgreich abgeschlossen, wodurch die Beteiligung des Staates von 72 % auf 20 % des Kapitals reduziert wurde.[iv] Der Staat bleibt Mehrheitsaktionär der FDJ, gefolgt von einem Veteranenverband (9,80 % des Kapitals). Die Leitung und der Aktienbesitz der FDJ werden jedoch weiterhin stark vom Staat kontrolliert: das Finanzministerium und das Haushaltsministerium genehmigen die Ernennung des CEO sowie alle Änderungen der Satzung des Unternehmens. Jeder Investor, der eine Beteiligungs- oder Stimmrechtsschwelle von 10 % überschreitet, muss ebenfalls vom Finanzministerium genehmigt werden.
Die Privatisierung der FDJ geht mit einer weiteren großen Veränderung im Bereich des Glücksspiels einher: die Schaffung einer neuen Regulierungsbehörde!
4. Gründung einer neuen nationalen Spielbehörde in Frankreich (Autorité nationale des jeux — ANJ)
Mit der Verordnung Nr. 2019-1015 vom 2. Oktober 2019 zur Reform der Regulierung von Glücksspielen wird eine neue unabhängige Verwaltungsbehörde als Nachfolgerin der Regulierungsbehörde für Online-Glücksspiele (Autorité de régulation des jeux en ligne — ARJEL) eingerichtet.[v] Die neue nationale Glücksspielbehörde (ANJ) wird von Isabelle Falque-Pierrotin, der ehemaligen Präsidentin der französischen Datenschutzbehörde (Commission Nationale de l'informatique et des libertés — CNIL), geleitet und wird im Frühjahr 2020 ihre Arbeit aufnehmen.
Die FDJ wird der ANJ ihr Glücksspielprogramm, ihre Förderungsstrategie, ihren Aktionsplan zur Verhinderung von exzessivem Glücksspiel, Glücksspiel für Minderjährige, Betrug, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorstellen. In Bezug auf Online-Sportwetten wird die ANJ in der Lage sein, einen Betreiber anzuweisen, jegliche kommerzielle Kommunikation, die zu übermäßigem Glücksspiel ermutigt, einzustellen.
5. Conclusio
Der Glücksspielsektor iwS ist ein Sektor, der einem steten Wandel unterworfen ist. Gerade im Bereich der Geldwäsche gab es sowohl in Frankreich als auch in Österreich im letzten Jahr eine Fülle an Verschärfungen. Das Ziel der staatlichen Politik besteht dabei in der Prävention von exzessivem Glücksspiel sowie betrügerischen und kriminellen Aktivitäten.
Auch wenn es zwischen Frankreich und Österreich punktuelle Unterschiede gibt, ist der Tenor iS Geldwäsche dennoch unverkennbar der gleiche, beruhen die Vorgaben doch auf europarechtlichen Grundlagen. Betreffend behördlicher Umstukturierung könnte auch Österreich in den nächsten Monaten und Jahren den Weg Frankreichs beschreiten und die Überwachungskompetenzen vom Bundesministerium für Finanzen an eine unabhängige Glücksspielbehörde auslagern.[vi]
Margaux Mermin | Lukas Pachschwöll
* * *
[i] EuGH 5.2.1963, van Gend en Loos, C-26/62, ECLI:EU:C:1963:1, S 25 ff.
[ii] Art. 3 Z 9 der Verordnung (EU) Nr. 2015/847.
[iii] Pressemitteilung der FDJ vom 7. November 2019 (EN), https://www.groupefdj.com/en/journalists/fdj-launches-its-ipo-on-the-regulated-market-of-euronext-paris.html.
[iv] Pressemitteilung der FDJ vom 20. November 2019 (EN), https://www.groupefdj.com/uploads/files/pressRelease/successful-global-initial-public-offering-of-fdj.pdf.
[v] Pressemitteilung der französischen Regierung vom 3. Februar 2020, (FR) https://www.gouvernement.fr/partage/11367-conclusions-de-la-mission-de-prefiguration-de-la-future-autorite-de-regulation-des-jeux-confiee-a.
[vi] Finanzminister will Austro-Lösung für Casinos, apa.at (Stand 12.3.2020).