
OLG Frankfurt am 24.10.2019, Az. 6 W 68/19
1. Einleitung
Die uneinheitliche (deutsche) Rechtsprechung zum Influencer-Marketing ist wieder um eine Entscheidung reicher. Das Oberlandesgericht ("OLG") Frankfurt bestätigt darin einige Punkte, die sich bisher durchaus in der Rechtsprechung etabliert haben, widerspricht aber gleichzeitig deutlich der zuletzt vom Landgericht ("LG") München I getroffenen Entscheidung zur Influencerin Cathy Hummels. Das OLG Frankfurt lehnte – im Gegensatz zu den bayrischen Kollegen – die offensichtliche Erkennbarkeit des kommerziellen Charakters des gesamten Instagram-Accounts von besonders reichweitenstarken Influencern ab.
2. Sachverhalt und Vorinstanz
Gegen die bekannte deutsche Influencerin und Autorin "sonnyloops" (Instagram) wurde von einem Verlag eine einstweilige Verfügung beantragt, weil sie ohne eine entsprechende Kennzeichnung in zahlreichen Posts Unternehmen "getagged" hat, ohne die Beiträge als Werbung zu kennzeichnen. Dafür soll sie laut Begehren des Antragstellers zumindest indirekt entlohnt worden sein, indem sie einen kostenlosen Hotelaufenthalt im Gegenzug für einen Post erhielt. In der ersten Instanz wies das LG Frankfurt den Verfügungsantrag gegen die Influencerin noch zurück, weil die Verlinkung auf den Instagram-Channel eines Unternehmens – im Gegensatz zu einer Webshop-Seite – nicht geeignet sei, die Verbraucher zu einer Kaufentscheidung (die sie ansonsten nicht getroffen hätten) zu verleiten. Der Beweis, dass die Tags aus kommerziellen Zwecken gesetzt wurden, gelang nicht, wodurch eine Rechtsverletzung nach § 6 Abs 1 Z 1Telemediengesetz ausgeschlossen werden konnte (österreichische Parallelbestimmung: § 6 E-Commerce-Gesetz).
3. Entscheidung des OLG Frankfurt
Sonnyloops hatte zum Zeitpunkt des Verfahrens rund 582.000 Follower und ist somit unzweifelhaft als Influencerin zu qualifizieren. In zumindest zwei Postings bedankte sich die Influencerin im Begleittext für Unterkunft und Verpflegung, wodurch indiziert wird, dass sie eine Gegenleistung für die Beiträge erhalten hat. Der Beweis der Entgeltlichkeit der konkreten Handlung ist jedoch ohnehin nicht entscheidend für die Erfüllung der Voraussetzungen der Geschäftspraktik (DE: § 2 (1) Z 1 dUWG; AUT: § 1 Abs 4 Z 2UWG). Die Bestimmung stellt unter anderem auf ein Verhalten ab, das den Absatz von Waren und/oder Dienstleistungen fördert. Dafür braucht es keine Gegenleistung für den konkreten Post, jedoch deutet das Bedanken für die Einladung laut OLG zumindest auf eine Geschäftsbeziehung zwischen sonnyloops und dem getaggten Unternehmen hin, wodurch ein fremdes Unternehmen gefördert werden kann. Darüber hinaus fördert die Influencerin durch das Verlinken von Unternehmensprofilen auch ihr eigenes Unternehmen. Aus der Aufmachung ihres Instagram-Accounts lässt sich erkennen, dass sonnyloops bereit ist, für Produktplatzierungen Entgelte von Drittunternehmen anzunehmen. Durch das Setzen der Links macht sie zumindest Drittunternehmen als potentielle Kooperationspartner auf ihren Account aufmerksam. Dieses Verhalten zeigt, dass es sich bei den gegenständlichen Posts um Geschäftspraktiken iSd (d)UWG handelt. Darüber hinaus ist laut OLG das gesamte Instagram-Profil der Antragsgegnerin als geschäftlich anzusehen, da sonnyloops das soziale Netzwerk nutzt, um sowohl eigene als auch fremde Produkte bzw Unternehmen zu bewerben und um sich selbst als Influencerin zu vermarkten. Den Einwand der Influencerin, dass diese gewerbliche Nutzung des Accounts ohnehin offensichtlich sei und sie daher keine Verbraucher über den geschäftlichen Charakter ihrer Posts in die Irre führen kann, lehnte das OLG ab. Das Gericht betonte, dass sich die vorwiegend jugendlichen Follower va für das (inszenierte) Privatleben der Instagrammerin interessieren und nicht für ihre Rolle als Werbebotschafterin. Die beiläufige Werbung durch eine authentisch wirkende Privatperson stelle gerade das Erfolgsgeheimnis des Influencer Marketings dar. Daher sei für die angesprochene Verbrauchergruppe gerade nicht unmittelbar aus den Umständen erkennbar, dass die Antragsgegnerin einen kommerziellen Zweck verfolgt. Im Gegensatz zur ersten Instanz bejaht das OLG die Eignung der Geschäftspraktik, Verbraucher zu einer Kaufentscheidung zu veranlassen, die sie sonst nicht getroffen hätten. Im Einklang mit einer Entscheidung des BGH[i] sei es nämlich gerade nicht entscheidend, dass man auf eine Verkaufsseite weitergeleitet werde. Es genüge die Möglichkeit, sich näher mit einem Produkt zu befassen. Dies ist bei der Verlinkung auf ein Instagram-Konto eines Unternehmens wohl meistens der Fall. Die betreffenden Posts hatten laut OLG auch keinen relevanten redaktionellen Inhalt. Somit wurde die Influencerin unter Androhung eines Ordnungsgeldes von EUR 250.000,00 zur Unterlassung verpflichtet.
3.1 Einordnung in die bisherige Rechtsprechung
In einigen entscheidungsrelevanten Punkten ist mittlerweile eine gewisse Beständigkeit der Rechtsprechung erkennen. Das Verlinken von Unternehmens-Profilen wird (auch unentgeltlich) als Geschäftspraktik (Deutschland: "geschäftliche Handlung") angesehen, da einerseits das fremde Unternehmen beworben wird und anderseits der Influencer idR auch sein eigenes Unternehmen fördert.[ii] Auf der verlinkten Seite selbst müssen keine Produkte vertrieben werden, die Möglichkeit, sich näher mit dem Produkt zu befassen, ist ausreichend.[iii]
In anderen Punkten widersprach das OLG jedoch den jüngsten Entscheidungen. Hierbei ist ua die Entscheidung des LG München I zur Influencerin Cathy Hummels zu nennen.[iv] Die Accounts von Cathy Hummels und sonnyloops sind sehr vergleichbar. Beide hatten im Zeitpunkt der Entscheidung ca. 500.000 Follower und bei beiden handelte es sich um verifizierte Accounts, welche an einem blauen Häkchen erkennbar sind). Diese Kriterien zog das LG München heran, um den geschäftlichen Charakter des gesamten Profils und dessen offensichtliche Erkennbarkeit zu begründen. Das OLG Frankfurt vertrat zwar – wie das LG München I – die Ansicht, dass der gesamte Account als unternehmerisch anzusehen sei, jedoch traute das OLG den angesprochenen Verkehrskreisen nicht zu, diese geschäftliche Eigenschaft aus den Umständen zu erkennen. Das LG München I vertrat noch die Auffassung, dass auch Jugendliche um das Berufsbild des Influencers und deren Einnahmenquellen Bescheid wüssten. Dies hatte zur Folge, dass eine unterlassene Kennzeichnung durch Cathy Hummels nicht geeignet war, ihre Follower in die Irre zu führen. Das OLG Frankfurt schloss sich dieser Ansicht nicht an und Empfand im gegenständlichen Fall die unterlassene Kennzeichnung als irreführend.
Das OLG Frankfurt äußerte sich auch zum redaktionellen Charakter der gegenständlichen Posts und kam zu dem Schluss, dass keiner der Posts nur im Ansatz durch entsprechende redaktionelle Ausgestaltung das Setzen der Links rechtfertige. Dabei zitiert das Gericht die Entscheidung des Kammergerichts Berlin zur Influencerin Vreni Frost, wobei es behauptet, dass bei dieser eine andere Fallgestaltung vorlag.[v] Diese Ansicht ist unseres Erachtens nicht zutreffend. Das KG Berlin nahm – im Einklang mit der Informations- und Medienfreiheit – eine sehr niedrige Schwelle für einen redaktionellen Beitrag an. Im damals gegenständlichen Post verlinkte Vreni Frost die Hersteller ihrer Kleidung und schrieb sinngemäß im Begleittext, dass sie sich wieder auf ihr Bett freue ("Nach dem JetSet brauche ich dringend mal wieder BettSet und ein paar Tage Ruhe"). Inwiefern für das OLG hier ein stärkerer Bezug zwischen den verlinkten Produkten (Mode) und dem redaktionellen Beitrag (private Schilderung des Alltags) bestehe, ist unseres Erachtens nicht nachvollziehbar.
4. Conclusio
Im Ergebnis ist die Entscheidung unseres Erachtens im Grunde richtig. Die Argumentation des LG München I, dass bei besonders reichweitenstarken Influencern immer das gesamte Profil offensichtlich unternehmerisch betrieben wird, war überschießend. Hierbei wurde auch die offensichtliche Erkennbarkeit des geschäftlichen Charakters vom Münchener Gericht etwas leichtfertig angenommen. Auch wenn sich in der Praxis bewahrheitet, dass der Großteil der Influencer überwiegend geschäftliche Beiträge teilt, würde diese Annahme zu einem rechtlich bedenklichen Ergebnis führen. Wird nämlich der gesamte Account stets als offensichtlich absatzfördernd angesehen, kann der Influencer praktisch keine redaktionellen bzw privaten Beiträge mehr veröffentlichen (bzw wären sie nicht als solche erkennbar). In diesem Fall würde der Account wie eine Werbebroschüre behandelt werden, in der kein Platz für unbeeinflusste bzw persönliche Beiträge ist bzw würde niemand derartige Inhalte darin vermuten. Diese Annahme schränkt die Medien- und Informationsfreiheit in unzumutbarer Art und Weise ein. Hingegen ist es zielführender, Beiträge, die aufgrund einer (entgeltlichen oder unentgeltlichen) Kooperation mit einem Unternehmen veröffentlicht werden, als Werbung zu kennzeichnen (insofern sie nicht als redaktionelle Beiträge anzusehen sind). Die Anforderungen für redaktionelle Beiträge sollten – im Einklang mit den Grundrechten – nicht zu hoch sein, da es zu keiner Qualitätskontrolle kommen sollte, wann eine Meinung schützenswert ist. Hier ist das Ergebnis des KG Berlin zu begrüßen, das niedrige Anforderungen an den redaktionellen Gehalt eines Posts stellte, jedoch die reine Linksetzung als keinen redaktionellen Beitrag ansah.
Wie immer im Influencer-Recht gilt, dass die österreichische Rechtslage aufgrund der Vollharmonisierung des Wettbewerbsrecht (im B2C-Bereich) vergleichbar ist. Die Entscheidungen aus Deutschland sind dennoch nur als Orientierungshilfe anzusehen. Soweit ersichtlich, sind uns keine einschlägigen Entscheidungen österreichischer Gerichte bekannt.
Max Königseder | Arthur Stadler
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[i] BGH 7.3.2019, I ZR 184/17.
[ii] LG Karlsruhe 21.3.2019, 13 O 28/18 KfH (Pamela Reif); KG Berlin 8.1.2019, 5 U 83/18 (Vreni Frost II); LG München I, 4 HK O 1432/18 (Cathy Hummel); OLG Braunschweig 8.1.2019, 2 U 89/18.
[iii] BGH 7.3.2019, I ZR 184/17.
[iv] LG München I, 4 HK O 1432/18 (Cathy Hummel); https://sv.law/ender-der-kennzeichnungspflicht-fuer-besonders-reichweitenstarke-influencer.
[v] KG Berlin 8.1.2019, 5 U 83/18 (Vreni Frost II); https://sv.law/kammergericht-berlin-klaert-wettbewerbsrechtliche-grenzen-fuer-blogger-und-in-fluencer.