Überblick über die jüngsten Entwicklungen im Einsatz der Blockchain-Technologie und deren Auswirkungen auf den Kapitalmarkt in Österreich
Wie passen die Blockchain und der Kapitalmarkt zusammen?
Virtuelle Währungen wie Bitcoin & Co. sind mittlerweile im Mainstream des Kapitalmarkts angekommen. Das zeigt etwa die jüngste Emission eines open-end Partizipationszertifikats auf Bitcoin (DE000VL3TBC7). Doch auch die dahinter stehende Technologie – die Blockchain selbst – schickt sich an, im Finanzmarkt für bleibende Veränderung zu sorgen. Grund dafür sind die Eigenschaften der Technologie, die Funktionen ersetzen können, die bislang nur von vertrauenswürdigen zentralen Parteien ausgeübt werden konnten. Zu denken ist hier beispielsweise an Zahlstellen, Verwahrer oder Treuhänder. Das Schlagwort lautet Disintermediarisierung.
Sogenannte Security Token Offerings (STOs) zeigen, in welche Richtung die Entwicklung gehen kann: Die Blockchain dient dabei als Abwicklungsinstrument für die Zeichnung, Übertragung und Lagerung vollwertiger (sogenannter) tokenisierter Wertpapiere zwischen Emittentin und Zeichnern bzw. Inhabern der Wertpapiere untereinander. Wer virtuellen Währungen nicht abgeneigt ist, kann darüber hinaus die gesamte Zahlungsabwicklung inklusive Zins- und Kapitalzahlungen ohne Intermediäre abwickeln.
Wie steht es um die Blockchain am Kapitalmarkt in Österreich?
In Österreich ist erkennbar, dass die relevanten Akteure der Technologie zunehmend offener gegenüberstehen. So setzte beispielsweise die Österreichische Kontrollbank (OeKB) bei der Begebung von Bundesanleihen bereits erfolgreich auf die Technologie. Die Blockchain wurde konkret für die Daten-Notarisierung eingesetzt. Auktionsdaten wurden protokolliert und durch die Blockchain deren nachträgliche Unverfälschbarkeit gewährleistet. Die Dateninhalte verbleiben dennoch ausschließlich bei der OeKB.
Noch ein Stück weiter ging die Erste Group Bank bei der Emission eines Schuldscheindarlehens des österreichischen Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierers ASFINAG. Bei der Emission kam eine neue Plattform der Bank zum Einsatz, die sämtliche Prozesse per Blockchain abwickelt, und zwar ohne parallel dazu auf Papier und Dokumente zurückzugreifen. Die Bank setzte dazu eine selbst betriebene (nicht öffentliche) Blockchain ein. Das Bankgeheimnis blieb also gewahrt.
Auch die österreichische Finanzmarktaufsicht FMA setzte sich mehrfach intensiv mit dem Thema der Tokenisierung von Wertpapieren auseinander. So wurde beispielsweise EU-weit der erste Kapitalmarktprospekt für das öffentliche Angebot tokenisierter Wertpapiere von der österreichischen Aufsichtsbehörde gebilligt – ein Projekt, das unsere Sozietät rechtlich betreut hat. Wegen der grundsätzlich EU-weiten Geltung stellte dies einen Meilenstein für die Technologie auf ihrem Weg in den klassischen Kapitalmarkt dar.
Security Token Offerings gehören mittlerweile in Österreich zum etablierten Instrument der Unternehmensfinanzierung. Die österreichische Crowdinvesting-Plattform Conda – die bereits ihre eigenen Aktien tokenisierte – bietet dazu White-Label-Lösungen für die technische Umsetzung. Die ebenfalls in Österreich niedergelassene Black Manta Capital erhielt – von der Deutschen BaFin – erstmals eine MiFID II Lizenz für den Betrieb einer Multi-STO-Plattform.
Was hat das Recht über den Einsatz der Blockchain zu sagen?
Der Kapitalmarkt gehört zu den am strengsten regulierten Bereichen des Wirtschaftslebens. Dabei gilt der Grundsatz, dass das Recht technologieblind ist. Die Emission tokenisierter Wertpapiere über eine Blockchain unterliegt daher denselben kapitalmarktrechtlichen Regeln wie die Emission herkömmlicher Wertpapiere. Wer tokenisierte Wertpapiere öffentlich anbieten möchte, der muss davor einen gebilligten Kapitalmarktprospekt veröffentlichen. Bei entsprechender Ausgestaltung berechtigt dieser Prospekt zum Angebot der Wertpapiere in der gesamten Europäischen Union. Verschiedentlich bestehen Ausnahmen zur Veröffentlichungspflicht, etwa wenn geringe Beträge aufgenommen werden, oder das Angebot nur einem kleinen Personenkreis gemacht wird.
Die Emission von Wertpapieren ist aber freilich nur ein Teil der Gleichung. Für einen funktionierenden Kapitalmarkt bedarf es gerade auch eines entwickelten Sekundärmarkts – und dieser fehlt dem neuen Ökosystem noch weitgehend. Im Rennen um den ersten Marktlatz für tokenisierte Wertpapiere hat dabei derzeit Deutschland die Nase vorn. Bei unserem großen Nachbarn will die Börse Stuttgart Digital Exchange ab dem Jahr 2020 den Handel tokenisierter Wertpapiere ermöglichen. Entsprechende Pläne gibt es aber auch bereits von österreichischen Unternehmen.
Quo vadis, Blockchain?
Die neue Technologie liefert aber nicht nur Antworten, sondern wirft auch eine Reihe rechtlicher und wirtschaftlicher Fragen auf. Aus akademischer Sicht widmen sich in Österreich gleich mehrere Universitäten und Institute diesen Themen. Zu nennen sind beispielsweise das Austrian Blockchain Center (ABC), das an der Wirtschaftsuniversität Wien eingerichtet ist, oder auch die Universität Wien, die Seminare zu Blockchain-Recht anbietet und deren Fakultäten für Informatik, Rechtswissenschaften und Wirtschaftswissenschaften eine gemeinsame Forschungsgruppe zu Kryptowährungen und virtuellen Finanzierungsformen betreibt.
Insgesamt zeigt sich, dass die Blockchain-Technologie durchaus bereits am Kapitalmarkt in Österreich angekommen ist. Schwächen bestehen bisweilen bei der Etablierung eines funktionsfähigen Sekundärmarktes. Allerdings ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch tokenisierte Wertpapiere auf einer regulierten Börse handelbar sein werden.
Oliver Völkel / Philipp Ley