Lorenz Marek, LL.M. (WU)
26. September 2018
1. Erster Security Token durch Finanzmarktaufsichtsbehörde in Europa gebilligt
Die liechtensteinische Finanzmarktaufsicht hat am 30. August 2018 erstmals einen Prospekt eines tokenisierten (digital abgebildeten) Wertpapiers gebilligt. Der sogenannte NEX Token ist damit, soweit ersichtlich, das erste prospektpflichtige Wertpapier in Europa mit Billigung einer Finanzmarktaufsichtsbehörde. Emittentin des NEX Tokens ist die Neon Exchange AG aus Liechtenstein, deren Geschäftszweck die Entwicklung, Implementierung und der Betrieb der NEX Exchange, einer dezentralisierten Börse für den Handel und Tausch von virtuellen Währungen, ist.
Die rechtliche Qualifikation eines Tokens sowie die damit verbundenen Rechte hängen von der jeweiligen Ausgestaltung des Tokens ab. Das gilt sowohl nach liechtensteinischem als auch nach dem Recht der meisten europäischen Jurisdiktionen, so auch nach österreichischem Recht. Beim NEX Token handelt es sich um ein Genussrecht und damit um ein Wertpapier im Sinne des liechtensteinischen Wertpapierrechts, welches die Token-Inhaber an den Einnahmen, der durch Zahlungsdienste und Börsedienstleistungen generierten Gebühren der Emittentin, teilhaben lässt. Um Anspruch auf diese Partizipationszahlungen zu haben, wird den Token-Inhabern die Verfügungsberechtigung über die NEX Token für einen bestimmten Zeitraum entzogen. In diesem Zeitraum nehmen die Token am Staking teil. Beim sogenannten Staking handelt es sich um eine Validierung der Transaktionen auf der Blockchain, welche anstelle der aufwändig zu lösenden Rechenaufgabe im Rahmen des Proof-of-Work, im Grunde zufällig den Teilnehmer auswählt, welcher den nächsten Block erstellen darf.
Im Zuge des öffentlichen Angebots wurden keine Urkunden über die NEX Token ausgegeben, sondern die Genussrechte werden auf Token auf der NEO Blockchain eingetragen. Die Zuteilung der NEX Token an die Anleger erfolgt per Smart Contract im Wege einer automatisierten Übermittlung der NEX Token an die jeweilige NEO/GAS-Adresse des Anlegers, über welche die Einzahlung von NEO oder GAS zum Kauf der NEX Token zuvor erfolgt ist. Sämtliche Zahlungen (etwa die Partizipationszahlungen) erfolgen direkt von der Emittentin per Smart Contract an die Anleger, weswegen es – und das ist eine der Innovationen – keine Zahlstelle braucht.
2. Exkurs: Geplante Änderung der Rahmenbedingungen für virtuelle Währungen in Liechtenstein
Die Liechtensteiner Regierung hat erst kürzlich bewiesen, warum das Fürstentum für Blockchain-Unternehmen zunehmend an Bedeutung gewinnt und einen Vernehmlassungsbericht betreffend die "Schaffung eines Gesetzes über auf vertrauenswürdigen Technologien beruhende Transaktionssysteme" veröffentlicht. Dieses "Blockchain-Gesetz", welches am 28. August 2018 veröffentlicht wurde, soll verschiedene wirtschaftliche Aktivitäten regeln, die auf innovativen Technologien beruhen und Blockchain-Unternehmen dadurch zukünftig eine höhere Rechtssicherheit bieten. Liechtenstein bereit sich mit diesem Gesetzesvorschlag bereits für die digitale Zukunft in Form einer "Token-Ökonomie" vor, in der es möglich sein soll, auf Basis dieses Gesetzes, die unterschiedlichsten Rechte (etwa Nutzungsrechte aller Art, Pfandrechte, Forderungsrechte und vieles mehr) tokenisieren zu können.
3. Rechtslage in Österreich
Ein öffentliches Angebot von Wertpapieren darf auch in Österreich nur dann erfolgen, wenn spätestens einen Bankarbeitstag davor ein von der Finanzmarktaufsicht (FMA) gebilligter Prospekt veröffentlicht worden ist. In Österreich wird der Begriff des Wertpapiers nicht legal definiert, sondern lediglich typologisch erfasst. Vom kapitalmarktrechtlichen Wertpapierbegriff werden übertragbare Wertpapiere im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Ziffer 44 der Richtlinie 2014/65/EU (in Folge "MiFID II") erfasst. Grundsätzlich geht die MiFID II dabei von Aktien und Anleihen als Standardmodelle der Wertpapiere aus und verlangt die Vergleichbarkeit mit diesen. Im Detail sind übertragbare Wertpapiere im Sinne der MiFID II durch die folgenden drei Merkmale gekennzeichnet: Handelbarkeit, Übertragbarkeit und Standardisierung.
In Österreich knüpft das Kapitalmarktgesetz (KMG) an dem Vorhandensein von Wertpapieren wie Aktien oder Anleihen an und das KMG ist unabhängig davon anwendbar, ob die Wertpapiere auf einer Blockchain abgebildet sind oder nicht. Eine Verbriefung von Wertpapieren ist somit nicht erforderlich, eine Abbildung der Wertpapiere auf einer Blockchain reicht aus. Ähnliche, dem NEX Token nachempfundene Token würden folglich auch in Österreich die Wertpapier-Kriterien erfüllen und der Prospektpflicht unterliegen, sofern keine Ausnahmebestimmung von dieser anwendbar ist.
Ausnahmen von der Prospektpflicht würden etwa dann vorliegen:
- Wenn Anleger die Wertpapiere erst ab einem Mindestbetrag von 100 000 Euro pro Anleger erwerben können oder bei einer Mindeststückelung der Wertpapiere von 100 000 Euro; oder
- bei einem Angebot von Wertpapieren, die sich an weniger als 150 natürliche oder juristische Personen pro EWR-Vertragsstaat richten; oder
- bei einem Angebot von Wertpapieren mit einem Gesamtgegenwert in der Europäischen Union von weniger als zwei Millionen Euro; oder
- bei einem Angebot von Wertpapieren, das sich ausschließlich an qualifizierte Anleger richtet.
4. Ergebnis
Der europaweit erste Prospekt eines tokenisierten Wertpapiers wurde von der liechtensteinischen Finanzmarktaufsicht am 30. August 2018 gebilligt. Durch die Tokenisierung von Wertpapieren ist es für junge Unternehmen in Zukunft wesentlich einfacher und günstiger am 'Kapitalmarkt' teilzunehmen. Ähnlich wie nach liechtensteinischem Recht, knüpfen auch nach österreichischem Recht die kapitalmarktrechtlichen Bestimmungen an das Vorhandensein von Wertpapieren wie Aktien oder Anleihen an und bestehen als solche unabhängig davon, ob diese Wertpapiere auf der Blockchain eingetragen sind oder nicht. Eine Verbriefung ist zur Erfüllung des Wertpapierbegriffes im Sinne des (österreichischen) KMG nicht erforderlich. Es ist daher nur eine Frage der Zeit bis es auch in Österreich erste öffentliche Angebote von tokenisierten Wertpapieren geben wird.